Flügel


Nachdem am gestrigen späten Nachmittag der Regen eingesetzt hatte, stellten wir beim Aufstehen fest, der Himmel sah an diesem Tag gar nicht so schlecht aus. Uns ging es auch wieder gut. 
Ballast aus den Ereignissen der letzten Jahre war abgeworfen worden und unsere Grundstimmung war nun deutlich wieder neugierig und positiv.

So waren wir um 9.00 Uhr wieder unterwegs auf der Strecke. Der Mann an meiner Seite gab das Tempo vor.
Wir freuten uns als wir direkt beim Ausgang des Dorfes Schwalmen die vertrauten blauen Wegweiser zurück sahen.
Wir waren auf dem richtigen Weg und die Rucksäcke drückten nicht auf Rücken und Schultern. Ja, plötzlich schienen wir Flügel zu haben, so leicht und beschwingt ließ es sich laufen. Es ging wieder an der Maas entlang und da wir keine anderen Menschen sahen, versuchten wir uns lautstark im Singen.

 

Lag es an unserem Singen?
Der Himmel zog sich langsam zu und ein ganz feiner Nieselregen legte einen feuchten Film auf unsere Kleidung. Gut, dass es an dieser Stelle die Rosenkirchen von Asselt und das Gemeindemuseum zu besichtigen gab.

 

Der Regen ließ nach und wir setzten unseren Weg fort.
Langsam näherten wir uns Roermond.
Der Weg führte uns direkt am ehemaligen Kasernengelände vorbei, auf dem heute eines der größten Outlet Center der Niederlande beheimatet ist. Mir ein sehr bekannter Ort, hatte ich doch im Jahr 1998 während der "Biennale '98" in den Duschräumen der damaligen Kaserne eine große Installation gezeigt.
Unser Weg verlief nun weiter in die Stadt hinein, an der Caroluskapel vorbei, dem Amtssitz des Bischofs. Auch dieser Ort war mir als Künstlerin bestens bekannt. Im Jahr 2000 öffnete der Bischof seinen Amtssitz für die Kunst. Ich gehörte zu den 6 ausgewählten Künstlern der "Pro-Sessie", die hier ihre Arbeiten zeigen durften. Mir war es damals vergönnt als erste Künstlerin den mittelalterlichen Kreuzgang mit einer Installation für 3 Monate zu bespielen. Es war und ist eine sehr schöne Erinnerung, die ich an den Ort und alle Ereignisse von damals habe.
Wenige Schritte weiter, am Eingang der St. Christoffelkerk erwartete uns ein Gedenkstein zu einer der großen Europäischen Kulturrouten, dem Jacobsweg. Leider war wegen der Mittagszeit die Kirche abgeschlossen, so dass wir uns die Pilgersammlung nicht anschauen und auch den Pilgerstempel in unseren Pass nicht erhalten konnten. 



Da wir aber sowieso gerade  Hunger verspürten, machten wir in einem der kleinen Cafes in der Stadt Mittagspause. Das angebotene Mittags-Kaffeegedeck mit verschiedenen köstlichen Muffins, darunter auch eine herzhafte Variante und Cup Cakes war genau das, was wir in diesem Augenblick brauchten.


So gestärkt ging es frohgemut weiter, über die lange Brücke, die die Maasplassen überspannt, hinüber auf die andere Seite der Maas, um hier am Lateraalkanaal Linne – Buggenum in Richtung Beegden weiter zu laufen. 

 

Der Nieselregen setzte schon wieder ein, konnte aber unsere gute Stimmung überhaupt nicht stören. Etwas später wurde er intensiver, sodass wir nun doch unsere Regencapes auspacken mussten. Wir verwandelten uns in blaue und gelbe Plastikzwerge und sangen, zur Hebung der leicht ungemütlich werdenden Situation, sehr schräg und sehr laut. 
Ein kurzer Blick auf die Karte zeigte uns, wir waren noch einige Kilometer von der nächsten Ortschaft in dieser Park-Wasserlandschaft entfernt. Bestimmt hätte sie uns bei Sonnenschein sehr verzückt. 
Aber so ....?


Leider verwandelte sich das stetige Niesel-Nass nun auch noch in einen heftigen Schauer und als wir Heel erreichten, waren wir nicht nur an den Beinen, die unter dem Regencape herausschauten, klatschnass. Alles war einfach nur noch klamm. Zudem sanken die Temperaturen auf einen Wert unter 10° C.
Es war nicht mehr schön! Uns wurde nun auch noch richtig kalt. Was wir brauchten war ein warmer Ort und bitte Kaffee!


Kurz vor dem Ortsende tauchten die Reklametafeln eines "Wegerestaurants" aus dem Regen auf.
Klein, altmodisch, romanisch. Na bitte, geht doch mit dem Wünschen.

Die Wärme der Wirtsstube umfing uns beim Eintritt. Ein fröhlicher Mann  begrüßte uns, brachte den Kaffee und schaute interessiert unsere Rucksäcke an. Wir plauderten über das garstige Wetter und unseren Weg.
Als wir hörten, dass man hier auch übernachten kann, beendeten wir spontan die heutige Etappe.

 

Wir genossen also zuerst den heißen Kaffee, der uns innerlich wieder warm werden ließ, anschließend die heiße Dusche, die den Rest übernahm. 
Gut, dass wir genügend Stühle im Zimmer vorfanden, auf denen wir unsere nassen Klamotten zum Trocknen drapieren konnten.

Später saßen wir im Restaurant des Hauses, vor uns zwei Teller "Penne a la Arrabiata", das Spezialrezept der italienischen Köchin. Sooooooooooooo lecker! Unsere Begeisterung gefiel, zu den nächsten 2 Gläsern Bier erhielt ich auch noch das Rezept der Köstlichkeit.

Am Morgen hatte ich mir nicht träumen lassen, eine Etappe von 20 km zurück zu legen. Wir müssen wirklich während der gesamten Strecke Flügel gehabt haben.

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