"Reading between the Lines"


Während ich unseren diesjährigen Picknickkorb zusammenstelle, gehen meine Gedanken zurück nach Borgloon in Belgien.
Ein Kollege hatte damals auf einer Ausstellungseröffnung sehr von der "Doorkijkkerk" geschwärmt und mir wenig später Unterlagen zugeschickt. Es hörte sich alles sehr gut an und da ich im darauffolgenden Frühjahr ganz in der Nähe eine Ausstellung vorzubereiten hatte, nutzten wir damals die Osterfeiertage um Borgloon und die Kunstkirche zu besuchen.

Vorab sei so viel verraten, nicht nur ich war damals total fasziniert, auch der Mann an meiner Seite war es. Inzwischen haben wir die gesamte Kunstroute durch das "Haspengouwse Heuvelland" rund um Borgloon auf unserer Favoritenliste stehen und animieren immer noch voller Begeisterung unsere Freunde zu einem Ausflug in diese Gegend.
Wie oft wir inzwischen dort waren?
Ich kann es nicht mehr mit Sicherheit sagen. Aber ein Picknick in dieser lieblichen Gegend, mit all der Kunst zwischen den Bäumen und Weinstöcken in Europas größtem Obstanbaugebiet (Belgien, die Niederlande und Deutschland bilden hier eine Anbau-Einheit) ist absolut zu empfehlen. Ganz besonders dann, wenn die Obstblüte die Hügel in ein schwebendes Blumenmeer verwandelt. Ja, dann muss man einfach dort gewesen sein.

 

Von Aachen aus hält man sich in Richtung Maastricht, durchquert hier die Niederlande, um sich wenige Kilometer später in Belgien bereits in Richtung Tongeren zu bewegen. Ab hier ist der Weg perfekt ausgeschildert.

Vor Ort findet man überall große Informationstafeln mit Hinweisen zu den einzelnen, verschieden langen Wanderrouten. Egal für welche man sich entschließt, der Blick über die Hügellandschaft Belgiens und der Niederlande bis hinüber nach Deutschland ist unglaublich.


Wundervoll, da war bereits das erste Zeichen zu unserem Ziel, der "Doorkijkkerk = Durchschaukirche".

 

Zuerst jedoch mussten wir noch einen Hohlweg hinauf auf das nächste Plateau. Auf der einen Seite wird der Weg von alten Weiden gesäumt, die andere Seite wird von jungen Obstbäumen flankiert.
Diese Hohlwege sind hier im Hügel-Länderdreieck Belgien / Niederlande / Deutschland sehr häufig zu finden.
Über den wundervollen Hohlweg auf dem Plateau von Margraten, auf der niederländischen Seite der Maas, hatte ich ja schon berichtet.

 

Oben angekommen wieder der Blick in die Weite. Vor uns lag Borgloon mit seiner Sint-Odulphuskerk, die den Stadtberg krönt. Das langgestreckte Tal zwischen uns und der kleinen Stadt, scheint von hier aus betrachtet, verschwunden. Gleich am Wegrand ein weiteres Info-Bord. Wir hatten unser Ziel erreicht.

"Reading between the Lines" von Gijs Van Varenberg, einem Architekten.
Er erschuf diese "Doorkijkkerk = Durchschaukirche", die 10 Meter hoch ist und aus 100 aufeinander gestapelten Staalplatten besteht. Real, so lasen wir, wiegt diese Kirche zwar 3 Tonnen, aber da man durch sie hindurchschauen kann, scheint sie sowohl anwesend als auch abwesend in der Landschaft zu sein.

Unsere Augen suchten das Plateau ab.


Sollte sie das dort zwischen den Bäumen sein? Unser Blick von dieser Stelle aus zeigte sie sehr transparent, wie ein zarter Schleier neben der realen Stadtkirche von Borgloon in der Ferne.


Ganz langsam näherten wir uns der Silhouette und waren verblüfft wie die wahren Ausmaße langsam wahrnehmbar wurden.

 

Fürs Erste erschien es uns angebracht, das Kunstwerk zu umrunden, um seine Dimensionen und das Spiel der durchscheinenden Sonne genießen zu können.
Verblüffend, mal erscheint die Kirche sehr stabil, mal unglaublich fragil.


Gut, dass es heute Digitalkameras gibt. Nicht nur damals habe ich unzählige Fotos gemacht, nein, bei meinen weiteren Besuchen wurde die Speicherkarte mehr als nur strapaziert.

 

Am Morgen erscheint sie rot-glühend in der Landschaft, wechselt dann in ein silbriges, durchscheinendes Etwas und wird zum Abend hin fast schon dunkel, gespenstig und erscheint sehr massiv.

 

Es wurde Zeit, das Kunstwerk zu betreten.
Wobei wir bei unserem ersten Besuch Glück hatten. Es war warm und es war inzwischen Mittagszeit. Also hatten sich sehr viele Besucher an die Picknick-Tische am Rande zurückgezogen und so hatte ich den Innenraum fast für mich alleine.

 

Welch unglaublich einfache und doch sehr beeindruckende Konstruktion. Wieder dieses immer ganz neue Lichtspiel. Jetzt von außen heraus in den Innenraum. Man scheint ein Teil davon zu werden und hat das Gefühl sich im Licht aufzulösen.
Hinzu kam ein leichter Wind, der den Duft der blühenden Bäume und ihrer Millionen Blüten in die Kirche hinein trug.
Wir hätten uns keinen besseren Zeitpunkt für unseren Besuch heraussuchen können. Deshalb meine Empfehlung für einen Besuch im Frühling.


Wie lange hatten wir im Inneren der Kirche verweilt?
Ich weiß es nicht mehr, aber dass sich mein Magen sehr energisch gemeldet hat und wir uns mit unserem Picknickkorb an einen der freien Tische setzten, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern.


Mit Blick auf die Kirche genossen wir die mitgebrachten Köstlichkeiten. Ließen uns von der Sonne verwöhnen und folgten den immer neuen Schattenspielen der weiter wandernden Sonne zwischen den Stahlplatten, um erst am späten Nachmittag das Plateau zu verlassen.


Unser Vornehmen wieder zu kommen haben wir seitdem mehr als einmal gehalten.
Dem Versprechen diesen Tipp an Freunde weiter zu geben, sind wir immer sehr gerne nachgekommen.

Danke lieber Paul, dass Du uns dorthin geschickt hast.

Kommentare